Auflösungsantrag

A. Auflösungsantrag nach § 9 KSchG

1. Antragstellung

Die Möglichkeit, einen Auflösungsantrag zu stellen oder einen gestellten wieder zurückzunehmen, ist gem. § 9 Abs. 1 S. 3 auf die Zeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz beschränkt und verlängert sich lediglich im Falle eines Berufungsverfahrens bis zu dessen letzter mündlicher Verhandlung. Er kann deshalb weder in erster noch in zweiter Instanz als verspätet zurückgewiesen werden.

Der Auflösungsantrag kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in er Berufungsinstanz zurückgenommen werden (BAG 28. 1. 1961 P KSchG § 7 Nr. 8). Und zwar auch dann, wenn das Arbeitsgericht dem Auflösungsantrag stattgegeben hätte. Denn die gestaltende Wirkung des Auflösungsurteils tritt erst mit dessen Rechtskraft ein.

In der Revisionsinstanz kann der Auflösungsantrag nicht mehr gestellt werden.

Für den Arbeitnehmer wird es zweckmäßig sein, den Auflösungsantrag bereits in erster Instanz zu stellen. Denn obsiegt er mit seiner Kündigungsschutzklage, kann er nicht Berufung einlegen mit dem Ziel, in der Berufungsinstanz einen Auflösungsantrag zu stellen, weil er durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwert ist.

2. Antragsrücknahme

Die Rücknahme des Auflösungsantrages bedarf nicht wie die Klagerücknahme der Einwilligung des Gegners nach § 269 ZPO, wenn dieser zur Hauptsache mündlich verhandelt hat. Der Auflösungsantrag bildet zwar einen eigenen Streitgegenstand, nach der Konzeption des Gesetzes sollen die Parteien aber ohne Mitwirkung des Prozessgegners frei und ohne die Beschränkungen nach §§ 263 ff. ZPO über die Frage der Antragstellung entscheiden können.

Die Rücknahme des Auflösungsantrages ist nicht zugleich ein Verzicht auf das Auflösungsbegehren im Sinne des § 306 ZPO. Die Rücknahme des Auflösungsantrages kann auch nicht im Wege der Auslegung als Klageverzicht im Sinne des § 306 ZPO verstanden werden, weil der Verzicht in der mündlichen Verhandlung eindeutig erklärt werden muss. Bei Zweifeln hat deshalb das Gericht nach § 139 ZPO zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer mit der Rücknahme seines Auflösungsantrages zugleich auf sein Auflösungsbegehren im Sinne des § 306 ZPO verzichten will. Liegt kein Verzicht vor, kann der Arbeitnehmer bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz seinen Anspruch erneut stellen, anderenfalls ist ein erneuter Auflösungsantrag unzulässig.

3. Auflösungsgrund

Stellt ein Gericht fest, dass ein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat es auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. (§ 9 Absatz I 1 KSchG).

Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses setzt die Sozialwidrigkeit der Kündigung voraus. Ohne eine entsprechende Feststellung durch das Gericht kann nicht auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses erkannt werden.

Die Sozialwidrigkeit der Kündigung allein reicht für die Unzumutbarkeit des § 9 nicht aus. In der Regel treten durch jede Kündigung Spannungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf. Für den Auflösungsantrag des Arbeitnehmers verlang § 9 I 1 als Auflösungsgrund, dass dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Seit der Entscheidung des BAG vom 26.11.1981 (AP KSchG 1969 § 9 Nr. 8) werden an die Unzumutbarkeit geringere Anforderungen gestellt. Danach genügt es, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer zu unerträglichen Bedingungen führt.

Ist die Kündigung nicht nur sozialwidrig, sondern auch noch aus anderen Gründen (z. B. nach § 102 I BetrVG oder wegen eines Verstoßes gegen § 9 MuSchG oder § 85 SGB IX) unwirksam, kann der Arbeitnehmer den Auflösungsantrag auch dann stellen, wenn er die Unwirksamkeit der Kündigung nicht nur auf § 1 II stützt (anders der Arbeitgeber).

4. Darlegungs- und Beweislast:

Alle Tatsachen, die für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer geltend gemacht werden, hat dieser zu behaupten und ggf. zu beweisen. Das Gericht darf für die Begründung nur solche Tatsachen heranziehen, auf die sich der Arbeitnehmer auch berufen hat. Das gilt selbst dann, wenn die Tatsachen unstreitig oder offenkundig sind.

5. Prozessuales

Da der Auflösungsantrag aber auch erst im Laufe des Kündigungsschutzprozesses bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden kann (§ 9 I 3) ist es durchaus möglich, dass nach dem Sachverhalt der Rechtsstreit über die Sozialwidrigkeit der Kündigung entscheidungsreif ist, hinsichtlich des Auflösungsantrages jedoch eine weitere mündliche Verhandlung oder eine Beweisaufnahme notwendig sind. In diesem Fall kann das Gericht durch Teilurteil nach § 301 ZPO feststellen, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls nicht durch die Kündigung aufgelöst worden ist und später durch Schlussurteil über den Auflösungsantrag entscheiden.

6. Vorläufige Vollstreckbarkeit

Die Abfindung aus dem Auflösungsurteil kann vor Eintritt der Rechtskraft nach § 62 I ArbGG vorläufig vollstreckt werden.

B. Auflösungsantrag nach § 13 KSchG

Anders als bei der ordentlichen Kündigung ist bei der außerordentlichen Kündigung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur auf Antrag des Arbeitnehmers möglich. Dem Arbeitgeber bleibt diese Lösungsmöglichkeit versagt, weil der Gesetzgeber in der unberechtigten außerordentlichen Kündigung eine besonders schwerwiegende Vertragsverletzung des Arbeitgebers sieht und ihn deshalb an das Arbeitsverhältnis binden will.

Voraussetzung für die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist neben dem Antrag des Arbeitnehmers, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet und dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist.

Der Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen Kündigung ist maßgeblich.

C. Verhältnis Auflösungsantrag / Weiterbeschäftigungsanspruch

Beschäftigt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach Zugang der unwirksamen außerordentlichen Kündigung nicht mehr, gerät er grundsätzlich in Annahmeverzug. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Entgeltzahlung nach § 615 S. 1 BGB. Diesen behält er auch dann, wenn er einen Auflösungsantrag gestellt hatte, ihn aber später wieder zurücknimmt oder das Gericht den Auflösungsantrag abweist. Denn mit einem Auflösungsantrag bringt der Arbeitnehmer nicht zum Ausdruck, er wolle seine Arbeitsleistung dem Arbeitgeber künftig nicht mehr anbieten, BAG, Urteil vom 18. 1. 1963 – 5 AZR 200/62.

Für die Zeit des Annahmeverzuges schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gem. § 615 BGB die Zahlung der Vergütung, wobei sich der Arbeitnehmer jedoch entgangene Zwischenverdienste iSd § 11 KSchG anrechnen lassen muss, § 13 Abs. 1 S 5 KSchG.

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