Bei der objektgerechten Beratung hat der Berater dem Anleger die Eigenschaften und Risiken eines Bankprodukts in der Form zu erläutern, dass der Anleger Kenntnis über sämtliche wesentliche Aspekte der Anlageeigenschaften hat und damit eine Anlageentscheidung treffen kann. Eine derartige Beratung umfasst vor allem, die gehörige Aufklärung über etwaige Risiken des Anlageproduktes. Ein weiterer in der Rechtsprechung relevanter Aspekt der objektgerechten Beratung ist die Aufklärung über etwaige Provisionen, da ein Anleger auf diese Weise erkennen kann, ob ihm eine neutrale Beratung widerfährt. Diese sogenannten Kickbacks lassen hierbei einen Schluss darüber zu, ob der Berater ein erhebliches Eigeninteresse an der Empfehlung hat.
Auch versteckte Provisionen oder Vertriebsnebenkosten, die der Bank oder dem Berater nicht direkt zufließen, sind nach der Rechtsprechung ab einem gewissen Schwellenwert und unter bestimmten Bedingungen aufklärungsbedürftig, da bei hohen Weichkosten begründete Zweifel an der Rentierlichkeit der Anlage bestehen könnten.
Der Berater hat zwar nicht über jedes fernliegende Risiko aufzuklären, wohl aber über die Risiken, die zumindest möglich sind und gegebenenfalls durch die individuellen Anlageziele besonders relevant sind. Wenn also beispielsweise ein Anleger einen bestimmten Geldbetrag nach einer bestimmten Laufzeit unbedingt benötigt, um zum Beispiel eine weitere Investition zu tätigen (z.B. ein Hauskauf), so hat der Berater auf sämtliche Risiken hinzuweisen, die dieses Anlageziel vereiteln könnten.
Oftmals wird ein Teil der objektgerechten Beratung auf den Kunden „abgewälzt“, indem man den Kunden Emissionsprospekte oder Broschüren aushändigt. Diese Art der Risikoaufklärung wird zum Teil von der Rechtsprechung gebilligt, jedoch ist auch hier zu beachten, dass sich auch in derartigen Fällen neue Haftungsrisiken für die Bank ergeben, wenn beispielsweise der Kunde erkennbar aufgrund seiner Vorbildung oder seiner fehlenden Anlagekenntnisse nicht eigenständig mit etwaigen Risikoaufklärungen aus einem zum Beispiel 160-seitigen Emissionsprospekt auseinandersetzen kann.
Ein weiterer wesentlicher Beratungsfehler kann auch darin liegen, wenn ein Berater Produktrisiken zwar nennt, diese jedoch im selben Atemzug entwertet. So wurden z.B. Schiffsfonds zum Teil mit der falschen Aussage vertrieben, das schlimmste was passieren könne, sei, dass das Schiff unterginge und selbst dann sei das Schiff dagegen versichert. Auch Euphemismen können unter Umständen in diesem Zusammenhang entwertenden Charakter haben (z.B. „Betongold“ bei Immobilien).
Die Rechtsprechung hat auch in mehreren Fällen Fehlberatungen angenommen, in denen dem Kunden Emissionsprospekte zu kurz vor dem eigentlichen Zeichnungsdatum ausgehändigt wurden und es damit für die Anleger nicht möglich war, sich ein umfassendes Bild der Finanzanlage zu machen. Zu den in der Rechtsprechung bereits behandelnden Beratungsfehlern der objektgerechten Beratung gehören unter anderem:
- Fehlender oder falscher Hinweis auf die Laufzeit
- Fehlende oder falsche Aufklärung über etwaige Provisionen
- Fehlender Hinweis auf das Emittentenrisiko
- Mangelhafte Aufklärung über die eingeschränkte Handelbarkeit
- Fehlender Hinweis auf das Klumpenrisiko im Anlageprodukt
- Kein Hinweis auf eine Nachschusspflicht
- Kein Hinweis auf eine Nachhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB
- Fehlender Hinweis auf etwaige Interessenkollisionen bei den Vertriebspartnern oder den Emittenten eines Fonds
- Entwertung etwaiger Risiken
- Fehlende Hinweise auf etwaige Ratingänderungen der Emittenten.
Die Feststellung etwaiger Beratungsfehler bei der objektgerechten Beratung ist äußerst komplex und am jeweiligen Einzelfall festzustellen. Es bestehen hierbei erhebliche Unterschiede, welche Erfahrungen ein jeweiliger Anleger hat und in welchem Rahmen die Beratungen erfolgten.
Es bedarf beispielsweise keiner umfassenden Aufklärung über die Risiken von Aktien, wenn der Anleger selbst ein Fondsmanager ist, der mit Aktien beruflich handelt. Ebenso bedarf es keiner Aufklärung über Provisionen bis zu einem gewissen Schwellenwert, wenn ein Anleger sich über einen Finanzdienstleister beraten lässt, der seinen Geschäftsbetrieb erkennbar aus den Provisionen eines Anlagegeschäfts verdient. Die Rechtsprechung ist im Bereich der objektgerechten Risiken im stetigen Wandel.